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MNW - Naschmarkt Wien

Wettbewerb

Wien

2023

Teilnahme

mit Studio Loes

Zwischen, Unter und Über den Zeilen
Urban, durchgrünt, multifunktional

Situation
Das Entwurfsgebiet ist aktuell weitgehend durch stark versiegelte Hitzeinseln und den ruhenden und fahrenden Automobilverkehr geprägt. Eine Verbindung zu den versteckten Infrastrukturen im Untergrund wird nicht aufgebaut und der Eingang oder Abschluss des historischen, traditionsreichen Naschmarkts stellt sich zerfasert, abrupt und lückenhaft dar. Es bedarf einer radikalen Transformation um den Abschluss des Naschmarkts und seine angrenzenden Freiräume neu zu gliedern, sie zu einem aktiven Bestandteil der Stadtstruktur zu wandeln und als lebenswerte Grünräume mit in das Freiraumnetzwerk Wiens zu integrieren.

Radikale Transformation
Der Klimawandel macht keinen halt vor den Städten und wird diese in den nächsten Jahren und Jahrzehnten radikal verändern. Um mit den Folgen leben zu können bedarf es einer klaren Haltung zu den Themen Verkehr, vernetzte Freiräume und Durchgrünung. Dafür müssen Freiräume mehr leisten als bisher: kühlen, verbinden, nutzungsoffen und für alle zugänglich sein, Infrastruktur und Mehrdimensionalität erfahrbar machen, erklären und robust sein, Aktionen und Events ermöglichen und als Orte des Alltäglichen dienen, Verkehr zurückdrängen und ökologische Hot-Spots schaffen. Das Entwurfskonzept beschreibt die aktuell fragmentierten und hochverdichteten Freiräume daher in einfache und klar ablesbare Sequenzen mit jeweils eigenständiger Identität, Sprache und Nutzungen, die parallel, aber auch in Abfolge zueinander gelesen und erfahren werden können. So folgen auf Räume großer baulicher Dichte offene, luftige Orte und Parklandschaften mit spezifischem Charakter. Dabei bietet die Sequenz Raum für Bewohner, Besucher, Tiere und Pflanzen, den Wienfluss und die U-Bahn gleichermaßen und kann durch unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheiten, Schatten- und Lichtsituationen, wie auch Vegetationsbilder individuelle Ortscharakteristika ausbilden und frei entwickeln lassen. Ziel ist es eine bunte Freiraumsequenz auszubilden, die in ihrer Nutzungsmischung und Gestaltung durch ihre Unterschiedlichkeit Resilienzen erzeugt und sich als robustes Netzwerk durch vielfältige Wegebeziehungen, Beeinflussung des Mirko-Klimas, sowie neuen Nutzungsangeboten in die unmittelbare Nachbarschaft wie auch in die Stadtstruktur Wiens einbettet.

Es bedarf einer radikalen Transformation um den Abschluss des Naschmarkts und seine angrenzenden Freiräume neu zu gliedern, sie zu einem aktiven Bestandteil der Stadtstruktur zu wandeln und als lebenswerte Grünräume mit in das Freiraumnetzwerk Wiens zu integrieren.

Sequenzen
Der Entwurf gliedert das Gebiet in sieben eigenständige Sequenzen, die sich zueinander öffnen, die umgebende Stadtstruktur an zentralen Punkten aufnehmen und sich durch eine hohe Vernetzung untereinander hervorheben: Balkon, Park, Kettenbrückenplatz, Gemeinschaftsgarten, Naschmarkt-Entrée, Naschmarkt und Landparteienmarkt.

Der Balkon markiert den Beginn der Wienfluss-Übeplattung. Eine höhengestaffelte Sitzlandschaft eröffnet Besuchenden einen weiten Blick in den zwischen den Gebäudekanten liegenden Flusskanal und der parallel verlaufenden U-Bahntrasse. In den Abendstunden zeigt sich bei Sonnenuntergang ein rauer, facettenreicher Stadtraum im Metropolenflair, der die Mehrdimensionalität des Ortes erfahrbar macht. Über eine Treppe schließt der Balkon an den im Flussbett verlaufenden Fußweg und die Wienfluss-Galerie an und verbindet sich oberirdisch mit dem weitläufigen Radwegenetz. Eine dichte Vegetationsfläche mit Erlebnispfad wird als Biodiversitäts-Hotspot ausgeprägt und für Tiere und Pflanzen vorgehalten. Nördlich hiervon verbindet das Aktivband mit Freizeitnutzungen wie Bouldern, Tischtennis, Street-ball und einer Calistenics-Anlage den Balkon mit der nächsten Sequenz. Die Fahrradverbindung zwischen Margaritensteg und Magdalenenstraße wird parallel des Parkweges geführt um Nutzungskonflikte zu vermeiden und überquert im weiteren Verlauf die Linke Wienzeile.

Der Park ist als nutzungsoffener, konsumfreier Grünraum mit einer großen, zentralen Wiesenfläche gestaltet und maximal begrünt. Diverse, intensive Nutzungsbereiche bilden zusammen mit weitläufigen Grünflächen eine Parklandschaft aus, die sich durch vielfältige Angebote qualifiziert.
Auf der langen Klimabank mit Sitz- und Liegepodest lässt sich das Treiben auf der Wiesenfläche beobachten und die Sonne genießen. Durch eine mittig in der Bank liegende Öffnung in das darunter liegende Wienflussgewölbe strömt kühle Luft in den Park und unterstützt die Regulation des Mikroklimas. Angrenzend bieten Bank-Tischkombinationen einen Ort zum Picknicken ohne Konsumzwang. In Sichtweite befinden sich ein wilder Erlebnisspielplatz und freistehende Lang-Schaukeln im Wiesenbereich.
Die nur für Anlieferung und Rettungsfahrzeuge befahrbare Steggasse mit Wendemöglichkeit wird Teil der grünen Parklandschaft und ist als großzügige Fußwegeverbindung ausgebildet. Ein biodiverses Stauden- und Gräserband, entlang der Erdgeschosszone ohne Erschließungsfunktion, schafft einen privaten Puffer. Einzelne Sitzmöbel verteilen sich unter hainartige, schattenspendende Baumgruppen. Im Norden, entlang der Linken Wienzeile reduziert ein topografisch überhöhter Biodiversitätssaum aus Sträuchern und Stauden die Emissionen der lärmenden Straße. Hier verbindet sich die Parklandschaft über eine durchgehende Wegeverbindung mit weiteren Teilbereichen des Gebiets und lässt den Wienfluss erlebbar und die Mehrdimensionalität des Raumes erfahrbar werden. Die Wienfluss-Terrassen sind ein kühlender Ort der sich zum Wasser hin öffnet. Ein um die Öffnung gewundener Weg führt in die Wienfluss-Galerie hinab, deren Wände und Überhänge mit schattenliebender Vegetation intensiv vertikalbegrünt werden. Aufsteigender Nebel und Beleuchtung unterstreichen die Besonderheit des Ortes und laden an heißen Sommertagen zur Pause ein. Die Wienfluss-Galerie im Flussgewölbe ist Ausstellungsort für Kunst und Ortsgeschichte und ist über einen Steg im Untergrund mit der Öffnung im Westen verbunden.

Der Kettenbrückenplatz ist eine vielfältig nutzbare Platzfläche, welche neben großen Veranstaltungen auch für mittlere und kleinere Events, sowie diverse Freizeitaktivitäten genutzt werden kann. Der Stadtplatz ist mit flexiblen Seilzügen überspannt, die eine variable Anpassung an den Bedarf der jeweiligen Nutzung oder Veranstaltung ermöglichen. Bei Kunst und Kulturveranstaltungen, Kabarett, Catwalk, Kino und Ausstellungen können Traversen mit Technik über dem Platz aufgehängt werden, an sommerlichen Tagen werden ergänzend zur verschattenden Vegetation Sonnensegel aufgezogen oder Regenduschen aufgehängt. Die Pfeiler und einige Seilzüge sind mit Kletterpflanzen berankt und erzeugen zusammen mit den Bäumen eine natürliche Verschattung. Schlitze im Oberflächenbelag - die Wienfluss-Fenster - lassen die kühle Luft des Gewölbes auf den Platz strömen und tragen an heißen Tagen zur Senkung der Temperatur bei. Die robuste Oberfläche des Platzes wird in einem identitätsstiftenden, drainfähigem Recyclingpflaster aus farbigem Betonstein ausgeführt und unterstreicht die Vielseitigkeit des Kettenbrückenplatzes.
Der Flohmarkt erstreckt sich über die gesamte Platzfläche und findet zudem Raum auf der ergänzenden Überplattung im Bereich der U-Bahnstation. Freigehalten von Vegetation bietet die offene Fläche Raum für Sonnenhungrige und schafft eine weitere Querverbindung zur rechten Wienzeile und dem neuen Gemeinschaftsgarten. Zurückgezogen vom Markttrubel können hier Anwohnende aus der Nachbarschaft unter Bäumen zusammen gärtnern.
Außerhalb von Veranstaltung bietet der Kettenbrückenplatz ausreichend Fläche als Radübungsplatz. Das neu geschaffene Fahrradhaus als Kleinarchitektur ermöglicht die Unterbringung von Rädern, Ausstattung und Technik. Im Bereich Anschluss Joanelligasse bleibt die denkmalgeschützte Würstelbude erhalten und wird durch Außenbestuhlung ergänzt. Der offene Platz bietet eine gute Durchquerbarkeit und knüpft an zahlreichen Stellen an das Stadtgewebe an.

Der Übergang zum Naschmarkt-Entrée - die Kettenbrücke - wird verkehrsberuhigt und ist als Shared Space gestaltet. Die Fahrbahn ist dafür in der Breite reduziert und ebenerdig ausgebildet, wodurch das Naschmarkt-Entrée näher mit dem Kettenbrückenplatz zusammen rückt und die Fußgängerströme Vorrang erhalten. Das Entrée bildet als zurückhaltende, offene Platzfläche Treffpunkt und Adresse für den Auftakt des Landparteien- und Naschmarkts. Die historischen Bestandsgebäude werden durch den ruhigen, durchlaufenden Bodenbelag hervorgehoben und durch Baumgruppensetzungen städtebaulich gerahmt. Einzelne Elemente, wie eine Mobilitätsstation mit Sharing-Angebot und Ladeplätzen, ein Wasserspiel mit Fontänenfeld sowie einzelne, kleine Staudenflächen mit Sitzgelegenheiten weisen Besuchern den Weg zur Erweiterungsfläche des Naschmarkts und zum Eingang des Landparteienmarktes. Die nun parallel zueinander verlaufenden Marktflächen ermöglichen einen direkten Zugang zum Naschmarkt, der sich mit einer klaren Setzung in Form des Naschmarkt-Tores nach außen hin präsentiert. Im Zuge der Umgestaltung des Areals wird die klare Körnung der Naschmarkthäuschen aufgenommen, um vier weitere Gebäude ergänzt und die Gassen in der Flucht verlängert. Den Auftakt und Abschluss bildet das markante Naschmarkt-Tor, das zukünftig als Eingangstor und als interaktives Informationsportal den Übergang von Entrée zum Naschmarkt markiert. Durch die Verlegung und Neustrukturierung des Landparteienmarktes auf die südlich gelegene Teilfäche bleiben beide Marktstränge unabhängig von einander zugänglich, präsentieren sich eigenständig und sind an zentralen Orten durch Zugänge mit einander vernetzt.

Der Landparteienmarkt, als nahezu dauerhafter Marktbetrieb, behält seinen ephemeren Charakter bei, wird jedoch durch drei langgestreckte, fest eingebaute Gründächer mit PV-Anlagen dauerhaft markiert und bietet somit auch Durchgrünung und Aufenthaltsqualität an marktfreien Tagen.

Der Entwurf realisiert funktionsorientierte Freiraumplanung auf den Flächen am Naschmarkt, unter der Prämisse der maximalen Ausweitung des Grünraums und un- oder teilversiegelter, nutzbarer Flächen.

Radikale Begrünung & Mikroklima
Der Entwurf realisiert funktionsorientierte Freiraumplanung auf den Flächen am Naschmarkt, unter der Prämisse der maximalen Ausweitung des Grünraums und un- oder teilversiegelter, nutzbarer Flächen. Dafür werden Wände, Lücken, Balkone, Plätze, Spielareale, Brücken und Restflächen in Wert gesetzt, in das Grünkonzept mit einbezogen und durch innovative Vegetationskonzepte ergänzt. Das Flussgewölbe wird an ausgewählten Stellen geöffnet, erfahrbar gemacht und in die Mikroklima-Strategie einbezogen. Ergänzend dazu spenden mehr als 150 neue, resiliente Klima-Gehölze Schatten und versorgen die Umgebung mit frischer Luft. Das Areal verstärkt durch die Maßnahmen seine Rolle als Frischluftproduzent im Quartier.
Die große Wiese und Staudensäume am Rand der Zeilen können Oberflächenwasser aufnehmen, zurückhalten und langsam abgeben. Daraus entstehen teils unkonventionelle Vegetationsbilder, die den Erwartungshorizont der Besuchenden erweitern und einen eigenen Raum-Charakter urbaner Naturen durch Mikro-Habitate und Biodiversitäts-Hotspots stärken.
Auch die versiegelten Platzflächen werden durch Zisternen und drainfähiges Pflaster mit in die Schwamm-Strategie einbezogen.

Materialität & Ausstattung
Die Gestaltungsmaßnahmen zeichnen sich durch eine langlebige und ressourcenarme Materialverwendung aus, die zugleich robust und wartungsarm ist. Dabei werden recycelte Rohstoffe verwendet oder Bestehendes vor Ort im Sinne der Kreislaufwirtschaft erneut integriert. Die eben ausgeführten befestigten Flächen sind barrierefrei und kontrastreich gestaltet. Oberflächen und Mobiliar sind leicht zu reinigen und für den Winterdienst einfach zu betreuen.
Ein Teil der bestehenden Asphaltflächen werden im Bereich der Wege erhalten, die Deckschicht aus örtlich aufbereitetem Asphalt erneuert und mit Splitt oberflächig abgestreut. Parkwege und Aktivband sind aus grün eingefärbten Drainbeton gestaltet. Zuschläge aus hellem Recycelbeton erzeugen dabei eine changierende Oberfläche mit geringerer Sonnenlichtabsorbierung. Das Naschmarkt-Entrée ist aus regionalem Granit mit breitem Fugenmaß gepflastert.
Die Ausstattung ist barrierearm gestaltet und richtet sich in ihrer Lage und Dimensionierung an die Anforderungen diverser Besuchender. Alle Berührungs- und Sitzflächen sind in nachhaltigem Holz ausgeführt und erhalten über die Nutzungsdauer eine eigene Patina. An zentralen Anknüpfungspunkten befinden sich Mobilitätsstationen mit Ladeinfrastruktur, Sharing Angeboten und Radständern.

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