MSS - Marktsraße Schermbeck
Wettbewerb
Schermbeck
2024
Teilnahme
Die Mittelstraße in Schermbeck ist zweifellos in die Jahre gekommen, doch das bedeutet nicht, dass ihr grundlegendes Konzept einer verkehrsberuhigten und harmonisch gestalteten Innenstadt obsolet ist. Im Gegenteil: In einer Zeit, in der sich Städte im Spannungsfeld von Klimawandel, Urbanisierung und gesellschaftlichem Wandel neu erfinden müssen, bietet die Mittelstraße eine einzigartige Chance, Tradition und Zukunft miteinander zu verbinden. Das Konzept greift die historische Identität Schermbecks als Tonbrenner-Stadt auf und führt sie in die Gegenwart, indem es zeitgemäße Themen wie Klimasensibilität, Inklusion und Flexibilität in den Mittelpunkt stellt, Materialien und Oberflächen aus dem Bestand aufnimmt und mit einer zeitgemässen Gestaltung kombiniert.
Ziel ist es, eine zukunftsorientierte Stadtmitte zu schaffen, die auf die Herausforderungen der Klimakrise ebenso reagiert wie auf die Bedürfnisse der lokalen Gastronomie, des Einzelhandels und der Bevölkerung.
Bestand und Kontext
Die Mittelstraße zeichnet sich derzeit durch ein einheitliches Bild aus Robinien, Klinker und Kleinsteinpflaster aus. Der Straßenraum wird durch eine ebenerdige Oberflächengestaltung in Fahr- und Gehbereiche unterteilt, wobei die Platzflächen nur geringfügig abgesetzt sind und wenig Integration in den Straßenraum aufweisen. Die derzeitige Gestaltung, obwohl barrierefrei und in Materialwahl passend, begünstigt den motorisierten Individualverkehr gegenüber Fußgängern und Radfahrern und fördert weiterhin das klassische Bild einer Straßenaufteilung. Genau hier setzt die notwendige Transformation der Mittelstraße an.
Mobilität und Verkehr
Ein verändertes Mobilitätsverhalten und die Anforderungen des Einzelhandels sowie des Radtourismus verlangen nach einer neuen Interpretation des Straßenraums. Der Entwurf versteht die Mittelstraße als eine durchgängige Abfolge von Teilräumen, die sich zwischen den Stadtplätzen aneinanderreihen. Die Verkehrsflächen werden als einheitliche Wegeflächen interpretiert, Fahrspuren werden nicht mehr explizit markiert. Lediglich an spezifischen Stellen wird die Fahrlinie durch eine schmale Rinne gekennzeichnet. Der neu geschaffene Raum ist gleichermaßen für alle Verkehrsteilnehmer zugänglich, sodass die Straße jederzeit sicher überquert, mit dem Fahrrad befahren oder zum Flanieren genutzt werden kann. Das Bild der Mittelstraße nähert sich damit einer Fußgängerzone an, die durch Wegerechte für PKWs und eine sichere Durchfahrt für Radfahrer geprägt ist. Ziel ist es, das Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer füreinander zu stärken und einen übersichtlichen, leicht verständlichen und verkehrsberuhigten Stadtraum zu schaffen. Parkplätze für PKWs befinden sich künftig nur noch im Norden der Mittelstraße auf dem Marktplatz, bei der Drogerie und der Sparkasse, um den Durchgangsverkehr zu minimieren.
Ein zentrales Ziel des Entwurfs ist die Maximierung der Entsiegelung, um das Bild einer wassersensitiven und durchgrünten Innenstadt zu stärken. Bestehende Bäume werden, wo möglich, erhalten oder durch einen Mix aus Klimabäumen ersetzt. Plätze werden durch biodiverse Staudenfluren akzentuiert.
Plätze und besondere Orte
Entlang der Mittelstraße entstehen Orte, die nicht nur ästhetisch herausragen, sondern auch funktionale und soziale Schwerpunkte der Gemeinde markieren. Diese besonderen Orte greifen die Charakteristika des Stadrraums auf und entwickeln sie weiter, indem sie die Platzflächen großzügig von Fassade zu Fassade ausdehnen und den Straßenraum in die Gestaltung integrieren. Dadurch entsteht ein durchgängiges, harmonisches Gesamtbild, das sich in verschiedenen Bereichen der Straße in Größe und Nutzung unterscheidet.
Der südliche Auftakt der Mittelstraße ist geprägt von einer lebendigen Atmosphäre, die durch die angrenzende Gastronomie und den Radtourismus getragen wird. Hier entsteht ein einladender Platz, der Besucher und Einheimische gleichermaßen willkommen heißt. Der Platz dient als Treffpunkt für Radfahrer und als Ausgangspunkt für den weiteren Besuch der Innenstadt. Durch offene Flächen, die zum Verweilen einladen, wird dieser Bereich zum lebendigen Herzstück des südlichen Endes der Mittelstraße. Der Gustav-Sack-Platz, benannt nach einem lokalen Dichter, verbindet die mittelalterliche Kirche St. Georg mit der modernen städtischen Infrastruktur. Hier entsteht ein Durchgangsbereich zur Kirche, der zugleich durchglüht und offen wirkt und ausreichend Raum für das Gastronomische Angebot bietet. Der Platz ist so gestaltet, dass er sowohl als Verbindungsweg als auch als eigenständiger Treffpunkt funktioniert.
Vor der Volksbank entsteht mit dem Pottbäcker-Platz ein weiterer zentraler Treffpunkt mit lokaler Identität. Dieser Platz ist bewusst offen und aufgeräumt gestaltet, um eine klare Orientierung zu ermöglichen. Zwei breite Grünflächen markieren dem Platz im Straßenbereich und weiten die nutzbare Fläche auf. Hier gibt es freies Mobiliar, das flexibel genutzt werden kann, sowie eine barrierefreie Treppenanlage mit integrierter Rampe. Der bestehende Amberbaum wird erhalten und durch eine neue Rundbank inszeniert, die einen zentralen Treffpunkt auf dem Platz bildet.
Der Marktplatz, der sich auf privaten Flurstücken befindet, wird stärker in die Gestaltung der Mittelstraße integriert. Trotz der dichten Bepflanzung und großen Grünfläche entstehen hier flexible Räume, die für kleine Veranstaltungen, Märkte und städtische Feste genutzt werden können. Der Wochenmarkt kann flexibel entweder auf dem hinteren Platzbereich oder, durch temporäre Durchfahrtsbeschränkung, direkt auf der Mittelstraße stattfinden. Diese Flexibilität erlaubt es, den Marktplatz an unterschiedliche Bedürfnisse und Veranstaltungen anzupassen und so das städtische Leben zu bereichern.
Im nördlichen Bereich der Mittelstraße, vor der Sparkasse, öffnet sich der Straßenraum zu einem weiteren kleinen „Pocket-Platz“, der als Ankunftsort für Besucher dient. Dieser Platz markiert den Beginn der Einkaufsstraße und bietet eine einladende Atmosphäre für Ankommende. Hier befinden sich nicht nur Fahrradstellplätze, sondern auch diverse Sitzbereiche und blühende Staudenbänder, die den Platz zu einem lebendigen, grünen Eingangstor zur Mittelstraße machen. Die klare Gestaltung sorgt für Übersichtlichkeit und Orientierung, während die Bepflanzung zur Biodiversität und zur Klimaanpassung beiträgt.
Insgesamt folgen alle Platzflächen einem einheitlichen gestalterischen Konzept, das sich durch großzügige Grüninseln, multifunktionale Räume und die Verwendung langlebiger Materialien auszeichnet. Die Plätze bieten Raum für vielfältige Nutzungen, von der Erholung über das Einkaufen bis hin zu sozialen Begegnungen, und tragen damit wesentlich zur Lebensqualität in der Innenstadt von Schermbeck bei.
Die Mittelstraße wird zu einem lebendigen und einladenden Zentrum, das den historischen Charakter Schermbecks bewahrt und gleichzeitig den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.
Retention, Wassermanagement und Vegetation
Ein zentrales Ziel des Entwurfs ist die Maximierung der Entsiegelung, um das Bild einer wassersensitiven und durchgrünten Innenstadt zu stärken. Bestehende Bäume werden, wo möglich, erhalten oder durch einen Mix aus Klimabäumen ersetzt. Plätze werden durch biodiverse Staudenfluren akzentuiert. Vergangene Starkregenereignisse haben gezeigt, dass die Kapazitäten der Kanalisation allein nicht ausreichen. Die neue Mittelstraße wird selbst zum Schwamm und kann durch Raingardens Regenwasser aufnehmen, speichern und für die Kühlung und Pflanzenversorgung nutzen. Diese leicht vertieften Raingardens, die überwiegend auf der Nordseite platziert sind, bieten nicht nur Schatten, sondern laden auch zum Verweilen ein und bieten Raum für die Gastronomie und den Einzelhandel.
Die Platzflächen werden zu „Cool-Islands“ umgestaltet, die durch größere Senken und eine vielfältige Staudenmischung charakterisiert sind. Großkronige Bäume spenden Schatten, während Aufweitungen und inklusives Mobiliar zum Verweilen einladen.
Oberflächen und Materialrecycling
Bestehende Oberflächenmaterialien werden, wo möglich, wiederverwendet. Das Kleinsteinpflaster findet in den Einfassungen der Cool-Islands eine neue Verwendung, während das Klinkerpflaster im Bereich der Altstadt wieder eingesetzt wird, um den Charakter der angrenzenden Straßen weiterzuführen. Platzflächen sind als richtungslose Pflasterungen in einem Gewebe-Verbund ausgeführt, was das Bild einer einheitlichen Gesamtoberfläche stärkt. Die Beleuchtung entlang der Mittelstraße wird restauriert und mit moderner LED-Technik ausgestattet, um eine gleichmäßige und zurückhaltende Ausleuchtung zu gewährleisten.
Fazit
Mit der Transformation entsteht eine klimasensitive und vielseitige Straße im Herzen von Schermbeck, die neue Möglichkeiten für Gastronomie, Einzelhandel, Tourismus sowie für die Bürgerinnen und Bürger schafft. Die Mittelstraße wird zu einem lebendigen und einladenden Zentrum, das den historischen Charakter Schermbecks bewahrt und gleichzeitig den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.