BIZ - Fussgängerzone und Marktplatz Billstedt
Wettbewerb
Hamburg Billstedt
2023
2. Platz
Von der Straße zum grünen Boulevard.
Fußgängerzone Möllner Landstraße
Der Entwurf zur Revitalisierung der Möllner Landstraße und des angrenzenden Marktplatzes versteht den Ort als öffentlichen Raum mit diversen Anforderungen und einem individuellen Nutzungsprofil. Ziel ist es einen attraktiven Stadtraum zu schaffen, der durch Angebot, Gestaltung und Atmosphäre von sich aus Besucherströme generiert und auf Grund seiner Freiraumqualität als Zielort in der Stadt angesteuert wird:
Der Freiraum als Attraktor!
Entwurfskonzept
Um für die Auswirkungen der Klimakrise gewappnet und generationsübergreifend attraktiv zu sein muss eine Einkaufsstraße im 21. Jahrhundert anders funktionieren als bisher. Der lineare Raum wird dafür in Abschnitte aufgeteilt, die gestalterisch eine Einheit bilden, sich in den Funktionen, Nutzungen und der Atmosphäre jedoch ergänzen um eine vielfältige Freiraumsequenz zu erzeugen.
Aktive, durchgrünte Bereiche mit Freizeitsportangebot, Kinderspiel und Liegewiese wechseln sich mit inklusiven Sitzbereichen, offenen Stadtplätzen und urbanen Angeboten im Verlauf der Straße ab. Die neuen Klima-Baumsetzungen finden Platz in ausgedehnten, von kompakten, pflegeextensiven, Gräsern und Stauden bestandenen Grünflächen. Dafür wird die Möllner Landstraße auf der gesamten Länge partiell entsiegelt und entwickelt sich zu einer stark vernetzten, neuartigen, urbanen Parktypologie mit hoher Durchlässigkeit, gutem Überblick und einfacher Orientierung. Die Straße wird zum belebten, grünen Boulevard, zur Bühne für AkteurInnen und sozialem Treffpunkt im Quartier zwischen übersichtlichem Reclamplatz und durchgrünter Piazza. Um den jeweiligen Geschäften direkt vor der Tür Präsentationsfläche, zusätzlich zum Schaufenster, bieten zu können, laufen Funktionsbänder beidseitig entlang des Boulevards. Aufsteller, Gastro-Tische, Vertikalbegrünung und Verkaufskörbe finden hier ebenso Platz wie Sitzbänke und lassen dabei im Querschnitt Platz für Grün, Flaneure und Bummelnde.
Die Aktivflächen und Sitzbereiche in Klimahain, Aktivband und in den Klimagärten sind mittig im Raum angeordnet und bilden einfach zu durchquerende Inseln aus. Hier findet die Aktion auf der Straße statt - nicht nur am Rand - und wird zur Besonderheit, Alleinstellungsmerkmal und Identität der Fußgängerzone. Dabei ergänzen sich die Bereiche mit ihrer unterschiedlichen Nutzungsstruktur und Intensität. Klimagärten und Klimahain bieten Bank-Tisch-Kombinationen, extensive Bepflanzungsinseln und ein schattiges Baumdach. Das durchgrünte Aktivband im Osten der Fußgängerzone bietet Raum zum spielen, toben, trainieren und zum Zeitvertreib. Hier finden sich Micro-Liegewiese, Hängematten, Schaukeln, Slacklines und kleine Spielbereiche mit dem Thema Jute-Herstellung & Spinnerei in Anlehnung an die Wachstumsphase des Stadtteils zur Industrialisierung.
Der Marktplatz kann den Platzbedarf des Wochenmarktes durch eine neue Sortierung des Marktgeschehens mit den weiteren Funktionen wie Aufenthalt, Fläche für Events und Fahrradständer kombinieren. Zudem bleibt Raum für Verzehr von Speisen, für Grünflächen, die als Biodiversität-Hot-Spots auf kleinem Raum intensiv bepflanzt sind und ein lockeres Baumraster, welches durch ein System aus Rinnen und Baum-Rigolen Niederschlagswasser aufnehmen kann und an heißen Markttagen Schatten spendet.
Zudem prägen sich mit Reclam- und Hertelplatz zwei neue, übersichtliche Pocket-Plätze auf der Möllner Landstraße aus. Durch identitätsstiftende Materialien und Ausstattung zonieren sie den Verlauf der Fußgängerzone, bilden Aufweitungen in den Zugangsbereichen aus und orientieren sich an den umliegenden Erdgeschossnutzungen.
Den Abschluss & Auftakt bildet die Piazza im Westen der Fußgängerzone. Als durchgrünter Stadtplatz und urbaner Treffpunkt gestaltet bietet sie Platz für Gastronomie, zur Orientierung und für ein Staudenband und eine Blühwiese zur Abgrenzung des Verkehrs der Billstedter Hauptstraße. Inklusive, höhengestaffelte, Langbänke zur Einfassung und hochgeastete Gleditschien & Sophoren schaffen einen lichten, offenen Raum zum Ankommen, Warten und Verweilen.
Der Entwurf bietet ein dynamisches Raumangebote für Events und Veranstaltungen, Workshops, Produktpräsentation, Kollaborationen und Experimente. Anfassen, testen, beraten lassen und in Kontakt kommen auch abseits der Ladenlokale, im öffentlichen Raum.
Material & Regenwassermanagement
Der Entwurf setzt auf eine Auswahl kostenbewusster, langlebiger und wertiger Materialien bei Ausstattung und Pflaster. Der durchlaufende, grau-changierende Belag aus drain- und verdunstungsfähigem Recycle-Betonstein schafft die homogene Grundlage für besondere Gestaltungselemente wie Aufenthaltsbereiche mit reduzierter Geschwindigkeit. Hier finden sich rezyklierte Intarsien aus Granitstein mit überarbeiteter, gesägter, barrierefreier Oberfläche oder farbig abgesetzte, leicht zu reinigende, großformatige und belastbare Betonplatten auf den Platzflächen.
Das Regenwassermanagement findet auf den verschiedenen Oberflächen unterschiedlich Anwendung. Dadurch entstehen Redundanzen, auch versiegelte Flächen können durch innovative Baustoffe zur Kühlung eingesetzt und wertvolle Ressourcen aus dem Bestand durch Überarbeitung in modifizierter Form wiedereingebaut & rezykliert werden. Überschüssiges Wasser wird zudem durch barrierefreie, leicht zu reinigende Pflasterrinnensysteme in Rigolen und Baumrigolen gespeichert oder durch schwache Gefälle in Grünflächen abgeleitet. Die Vegetationsauswahl ist daher in zwei Zonen eingeteilt: Auf Platzflächen befinden sich hochstämmige Gleditsia triacanthos 'Skyline' und Sophora japonica ‚Regent‘, sowie Staudenmischungen für Trockenstandorte. Die Grünflächen in der Fußgängerzone sind mit einer schattenliebenden, trockenresistenten Waldstaudenpflanzung besetzt und aus einer Mischung von unterschiedlichen Gehölzen mit gemischtartigen Laubstrukturen, wie Liquidambar styraciflua ‚Worplesdon‘, Pinus sylvestris ‚Glauca‘, Quercus Petraea und Acer platanoides 'Cleveland' überstanden. Das Ergebnis sind unterschiedliche, individuell gestaltete, atmosphärische Raumcharaktere, die lineare Durchgangsräume zu belebten Zielorten werden lassen und den Plätzen eine luftige, offene Anmutung geben. Der Ausstattungskanon besteht aus dauerhaften, robusten und leicht zu reparierenden Elementen und setzt auf die Materialien Stahl und Holz aus heimischen Baumarten, mit thermisch bearbeiteten Oberflächen und leicht zugänglichen Schraubverbindungen. Bänke und Sitzmöbel sind inklusiv gestaltet, variieren in der Sitzhöhe und sind mit Rücken- und Armlehnen ausgestattet. Die Kugelleuchten aus dem Bestand werden rezykliert, technisch aufgearbeitet und bilden zusammen mit dem wiederverwendeten Natursteinpflasterintarsien Reminiszenzen an die Geschichte und bisherige Gestaltung der Fußgängerzone. Auf dem Marktplatz und den weiteren Platzflächen finden sich zurückhaltende, schlichte Systemleuchten mit eingebauten Spots zur Flächenbeleuchtung.
Die Abfallentsorgung erfolgt an den vier Hauptzugängen und Plätzen mit Unterflur-Containern und in der Fläche über dezentral angeordnete Einzelstandorte.
Die Umgestaltung der Möllner Landstraße und des Marktplatzes setzt konsequent auf eine Durchgrünung und Belebung des öffentlichen Raums, wertschätzt aktuelle Nutzungen und wertige Ausstattungselemente des Bestands und schafft einen inklusiven, klimaresilienten Stadtraum mit positiver Identifikationswirkung für das Quartier.
Kunstmeile, Mobilität & Marktnutzung
Die Fußgängerzone ist verkehrstechnisch bereits gut angebunden und verfügt über zahlreiche Parkmöglichkeiten für MIV, sowie Haltestellen des ÖPNV. Die Fahrradinfrastruktur wird an den Eingängen gebündelt und jeweils mit Servicestationen und Stellplätzen für Lastenräder ergänzt. Dazu finden sich im gesamten Gebiet Radständer an zentralen Orten. In direkter Nähe zur Velo-Route 8 befindet sich an der Piazza ein Fahrradparkhaus mit luftiger, begrünter Überdachung, guten Durchquerungsmöglichkeiten und Ladepunkten für E-Bikes.
Die neue Sortierung des Marktplatzes ermöglicht ein klar geordnetes Marktgeschehen und teilt die Aufstellflächen in zwei Segmente ein, in denen durch einen zentralen Rangierbereich ein paralleler Auf- und Abbau ermöglicht wird. Hochstämmige, klimaresiliente Gehölze und zentrale, versenkbare Markt-Poller mit Strom- und Wasseranschluss lassen ausreichend Platz zum rangieren, bei Auf- und Abbau und können auch bei weiteren Veranstaltungen als Infrastruktur genutzt werden. Die multifunktionale Bühnen- und Eventfläche befindet sich im Norden des Marktplatzes.
Als Teil der Kunstmeile integriert die revitalisierte Möllner Landstraße die bestehenden Kunstwerke, setzt diese in Grünflächen und auf Plätzen neu in Szene und bindet sie respektvoll in die Gestaltung mit ein.
Doch der stationäre Einzelhandel steht vor Herausforderungen, die ein neues Pflaster und schicke Ausstattung alleine nicht lösen können. Um mit dem Preiskampf des Onlinemarkts mithalten zu können bedarf es einer Kombination aus neuen, innovativen Produktpräsentationen und der bewährten Qualität und Beratung von ExpertInnen des Einzelhandels. Der Entwurf bietet ein dynamisches Raumangebote für Events und Veranstaltungen, Workshops, Produktpräsentation, Kollaborationen und Experimente. Anfassen, testen, beraten lassen und in Kontakt kommen auch abseits der Ladenlokale, im öffentlichen Raum. Die dafür benötigte Infrastruktur wird kompakt gebündelt in einem zentral verorteten Pavillon - dem Kunst-Kiosk. Hier findet sich Raum für unkonventionelle Aneignungen, nicht-kommerzielle Nutzungen, kurzzeitige Pop-Ups, Kunst, Kindertheater, Performances und Präsentation - flexibel, multifunktional und auf kleinem Platz können große Bereiche dynamisch bespielt werden und den Boulevard temporär transformieren ohne die bisherigen Nutzungen einzuschränken. Dafür werden Tische, Stühle und Tresen kompakt verstaut und bei Bedarf bereitgestellt.
Die Umgestaltung der Möllner Landstraße und des Marktplatzes setzt konsequent auf eine Durchgrünung und Belebung des öffentlichen Raums, wertschätzt aktuelle Nutzungen und wertige Ausstattungselemente des Bestands und schafft einen inklusiven, klimaresilienten Stadtraum mit positiver Identifikationswirkung für das Quartier.